«Z» wird zum Symbol für Putins Krieg. Was bedeutet es? (2024)

Noch vor wenigen Tagen wusste niemand um das Erkennungszeichen von Putins Panzern, heute steht der Buchstabe Z an Hausmauern, prangt an Bushaltestellen und auf Pullovern. Wie kam es dazu?

Esthy Rüdiger

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Es ist später Februar, als russische Truppen an der Grenze zur Ukraine aufmarschieren. Russische Panzer, Raketenwerfer und weitere Fahrzeuge stehen bereit. Auf ihrem Camouflage-Grün prangt ein weiss aufgemalter Buchstabe: Z. Es ist das erste Mal, dass das Symbol auftaucht. Im Westen erregt es zunächst wenig Aufmerksamkeit.

Kein Monat ist seither vergangen. In der Ukraine herrscht Krieg. Und der Buchstabe Z prangt an russischen Hauswänden, an Bushaltestellen, er ist auf Militärfahrzeuge aufgemalt, taucht in Social-Media-Kanälen auf und jüngst auch auf der Brust eines russischen Turners. Innert weniger Tage wurde der Buchstabe zum Symbol der Unterstützung für Putins Krieg.

Z für Selenski oder für den Sieg?

Zumindest zu Beginn wurden auch zwei weitere Buchstaben auf Militärfahrzeuge gemalt: V und O. Die Bedeutung dieser Signete war zunächst auch in Russland Gegenstand von Spekulationen. Am 2.März mutmasste ein Militärexperte in einem russischen Staatsmedium, dass es sich um die Initialen des ukrainischen Präsidenten handeln dürfte: Wolodimir (auf Englisch mit V) Olexandrowitsch (O) Selenski (Z). Auch die Interpretation, dass mit dem Z der Westen («zapad») gemeint sei, kursierte bald.

Nur einen Tag später verbreitete das russische Verteidigungsministerium Bilder der Armee mit den Buchstaben V und Z, wobei sich Letzterer durchsetzte. Auf seinem Instagram-Account verbindet es das Z unter anderem mit den Interpretationen «Für die Unsrigen», «Für den Frieden» und «Für den Sieg». Oder das Symbol wird als Teil von Propaganda-Schlagworten auf Englisch inszeniert: «Dena-Z-ification» oder «Demilitari-Z-ation». So stützt der Buchstabe das vom Kreml verbreitete Bild als Friedensstifter in der Ukraine.

Symbol ist in den Alltag der Russen gewandert

Das Verteidigungsministerium verbreitete letztlich vorwiegend drei Interpretationen: «Die Kraft liegt in der Wahrheit» sowie «Für den Sieg» und «Die Aufgabe wird erfüllt werden». Die Schlagworte werden von Präsident Wladimir Putin geradezu mantrahaft in seinen Reden wiederholt.

Die tief verankerte Siegesrhetorik hat auch mit der russischen Geschichtsschreibung zu tun. Der russische Soziologe Lew Gudkow bezeichnet den «Grossen Vaterländischen Krieg», wie der Zweite Weltkrieg in Russland heisst, als zunehmend «einzigen Bezugspunkt für die russische nationale Identität». Das russische Selbstverständnis ist jenes einer Siegesnation.

Nicht zuletzt deswegen hat sich in den vergangenen Tagen ein regelrechter Kult um das Z-Zeichen entwickelt. Die sibirische Region Kusbass hat ihre Schreibweise offiziell angepasst: Statt des kyrillischen S steht nun ein lateinisches Z in ihrem Namen. Ein Kinderhospiz lässt seine Kinder in einer Z-Formation stehen, um damit die «Unterstützung der russischen Soldaten» auszudrücken. Videos von Flashmobs von Menschen in Hoodies mit dem Signet kursieren im Netz. Das Symbol ist innert kürzester Zeit vom militärischen Kontext in den Alltag der Russinnen und Russen gewandert, es markiert die Unterstützung für die «Operation», von der Putin spricht.

Mit der grossen medialen Präsenz wird das Bild einer überwältigenden Mehrheit von Unterstützern gezeichnet. Darüber hinaus dient das Z auch dazu, Regimekritiker zu diskreditieren – etwa, indem laut Berichten Haustüren mit ebendiesem Zeichen bemalt werden.

Social-Media-User ziehen Parallelen zum Hakenkreuz

Die Überhöhung der Siegesmacht Russland ist für das Land keineswegs neu: Jedes Jahr zum 9.Mai, dem Tag des Sieges der Roten Armee über die Nazis, drücken Russinnen und Russen ihre Unterstützung für den politischen Kurs Putins mit orange-schwarz gestreiften Bändern aus. Auch dann sind aufgemalte Parolen wie «Für den Sieg» oder «Wir fahren nach Berlin» häufig zu sehen.

Laut dem russischen Soziologen Lew Gudkow dient der Zweite Weltkrieg denn nun auch dazu, die Invasion in der Ukraine zu legitimieren. Schliesslich bedient sich Putin mit der Darstellung einer «Entnazifizierung der Ukraine» einer Rhetorik, welche das Weltbild des «Grossen Vaterländischen Kriegs» erneut heraufbeschwört: die Sowjets gegen die Nazis.

Let's discuss what's happening in Russia. To put it simply, it's going full fascist. Authorities launched a propaganda campaign to gain popular support for their invasion of Ukraine and they're getting lots of it. You can see "Z" on these guys' clothes. What does it mean? 🧵 pic.twitter.com/F2zjcpJCDZ

— Kamil Galeev (@kamilkazani) March 6, 2022

Der in Russland lebende Forscher und Analyst Kamil Galejew geht in einem Tweet noch weiter: «Das Zeichen hat sich zum Symbol einer neuen russischen Ideologie und nationalen Identität entwickelt.» Russland bewege sich in eine klar faschistische Richtung. So ziehen User auf Social Media immer wieder Parallelen zur Swastika im Nationalsozialismus. Das Z erinnere im verwendeten Kontext an ein halbes Hakenkreuz. So würde sich Russland, das den Krieg gegen die Ukraine propagandistisch als Kampf gegen Nazis ausgibt, ausgerechnet an der Symbolik von Hitlers Nationalsozialisten orientieren.

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